Hallölchen, Du da!
Heute mal ein etwas anderer Beitrag. Momentan komme ich einfach nicht so viel zum Lesen, wie ich gerne würde und wenn, dann sind dies häufig keine rezensionswürdigen Bücher (eher liebesgetränkte Schnulzen- und Schundromane).
Deswegen soll es heute um meine Ernährungsweise gehen: Vegan. Und damit auch stark um mein persönliches Leben, denn Veganismus ist nicht nur einfach eine Ernährungsweise, sondern auch eine bewusste Entscheidung, die sehr viele Bereiche meines Alltags nachhaltig beeinflusst.
Doch starten wir am Anfang:
Wie es dazu kam – eine persönliche Geschichte
Wie bei über 70% aller Veganer:innen startete diese Reise auch bei mir zunächst mit dem Vegetarier-Dasein. Zum ersten Mal wurde ich Vegetarierin mit 14 Jahren. Dies war damals keine allzu bewusste Entscheidung; ich tat es weder für ein gesünderes Leben noch wegen des Tierleides oder aus Umweltschutzaspekten. Ich tat es schlicht und einfach, um einem Jungen, meinem damaligen besten Freund (und meine erste große Liebe) zu gefallen. Weshalb es nicht allzu verwunderlich war, dass als die Freundschaft bröckelte, Stück für Stück auch mein Wille für den Vegetarismus bröckelte. Aber ich habe dennoch einige wichtige Schritte geschafft: ich habe erste Erfahrungen gesammelt, meine Familie hat den ersten Schock überwunden und ich habe gemerkt, dass Fleisch-Verzicht gar keine so große Einschränkung ist. Diese Phase hielt ungefähr 1,5 Jahre an. Trotz allem war es sehr anstrengend, da mein gesamtes Umfeld begeistert Fleisch futterte (und leider immer noch futtert).
Ich wurde älter und mein Umweltbewusstsein stieg. Mit 17 startete ich einen erneuten Versuche, welche ungefähr 4 Monate hielt, da meine Familie mit Essensentzug drohte, wenn ich mich weiterhin so albern anstellen würde. Da ich damals an einer Essstörung und starken Untergewicht litt, konnte ich mir dies nun wirklich nicht erlauben. Aber ich schwor mir: Sobald ich auszog, würde ich das essen, was ich essen wollte. Und dazu gehörten nunmal keine Tiere.
So kam es: Ich zog am Tag nachdem ich mein Abiturzeugnis erhielt aus und wurde in den kommenden 3 Monaten Stück für Stück zur Vegetarierin. Denn eines hatte ich bisher gelernt: eine Umstellung von Heute auf Morgen ist keine gute Idee.
Da war ich also, in Berlin, einer weltoffenen sehr vegetarisch-vegan freundlichen Stadt, und lernte in meinem Studium einen der wichtigsten Menschen in meinem Leben kennen und sie ist seit Jahren Vollblut-Veganerin (Hey, Sara!). Von ihr lernte ich nicht nur sehr viele leckere vegane Rezepte, sie klärte mich auch über die gesundheitlichen und umweltpolitischen Folgen sowie über Nahrungsergänzungsmittel auf (Achte auf dein B12!). Ich fing an, mich - von ihr „geinfluenct“ - auf Social Media über das Thema zu informieren und lernte dabei sehr sehr viel. Ich will ehrlich sein: das meiste davon war Bullshit: entweder waren dort die krassesten Veganer:innen unterwegs, die Fleischesser:innen mit dem Leben bedrohten oder Fleischfanatiker:innen, die unter jedem veganen Post Hasskommentare gepostet haben. Aber durch die Community bin ich auch auf ein Event aufmerksam geworden: VEGANUARY/VEGANUAR. Ein Projekt, bei dem Veganer:innen mit Tipps und Rezepten als Motivtationscoaches sich dafür einsetzen, dass Menschen sich als Neujahrsvorsatz vornehmen, sich einen Monat, den Januar, vegan zu ernähren.
Diese Aktion fand ich sehr cool und bewegend und sagte mir: Das will ich probieren!
Tja, und dann habe ich einfach weiter gemacht. Nun bin ich seit fast einem Jahr Veganerin nachdem ich davor (zusammengenommen) fast 3,5 Jahre Vegetarierin war.
Wie hat mein Umfeld reagiert?
Das ist tatsächlich der unschöne Teil am Veganismus. Ich kann hier nur meine persönliche Geschichte erzählen, denn bei jedem mag es anders sein. Bei mir gab es alle möglichen Reaktionen, die meisten negativ: ein belustigtes Schnauben, ein genervtes Augenrollen, ein resigniertes Nicken, ein skeptisches „Aha“. Einige Reaktionen waren extrem, andere nicht so. Aber sie waren allgegenwärtig. Quasi niemand hat positiv auf diese Nachricht reagiert (abgesehen von Sara ☺️). Dass, was dem am nächsten kam, war „Cool, dann bist du also jetzt so ein richtiger Öko-Mensch?“. Wobei selbst da nicht ganz klar war, ob Öko-Mensch nun als Kompliment oder eher als Beleidigung gemeint sein sollte. (Weil: skeptischer Tonfall).
Aber jetzt mal ernsthaft: Was soll der Mist? Da setzt mensch sich mit seiner Lebensweise, eine FREIWILLIGE Entscheidung für VERZICHT auf sehr fancy Kram (Oh, Butterkaramell-Eis, RIP) dafür ein, dass diese Welt etwas besser wird. Damit die ach-so-niedlichen Tierchen (dass ihr Essen niedlich aussieht, wenn es noch nicht auf dem Teller ist, finden sie alle) nicht leider müssen. Damit du deine Kinder ein Zukunft auf diesen untergehenden Planeten habt. Denn für meine Kinder mache ich das ganz bestimmt nicht, denn ich werde keine bekommen (Wusstest du, dass das Umweltschädlichste, was man machen kann, ist, Kinder zu bekommen? Kommt direkt nach Öltanker im Ozean auslaufen zu lassen. Nur mit dem Unterschied, das ersteres fast jeder macht, häufig sogar mehrmals und sich dann auch noch alle drüber freuen, argh!)
Und was bekommt mensch als Dank: dir wird gesagt, du seist arrogant (danke, Papa), dir wird vorgeworfen, dass du immer nur andere Leute zu etwas „zwingen“ willst, dir wird der Mund verboten, die Leute machen sich über dich lustig, du wirst schief angesehen und als eine Art Untermensch, als verrückt, als Freak abgestempelt. Du bist der nervige Ballast mit den Tausend Extra-Wünschen (danke, Papa). All dieses Dinge bekommt man ständig zu hören, egal wo man seine Ernährungsweise erwähnt. Aber eines tun die Leute so gut wie nie: Dir zuhören.
Ja, mensch wird sehr viele negative Reaktionen erhalten, wenn mensch sich für diesen Schritt entscheidet. Darauf muss mensch sich vorher einstellen: ein Grund, weshalb sehr viele Leute , die eigentlich gerne den Veganismus ausprobieren würden, sich dann noch nicht wagen, aus Angst, so abschätzig behandelt zu werden.
Geholfen hat mir dabei, dass ich in den Communitys immer wieder ähnliche Geschichten, wie meine gehört habe. Sehr viele Veganer:innen leiden unter den Kommentaren und Kritiken, denen sie aufgrund ihrer Lebensweise ausgesetzt sind. Doch es tut weh, denn solche heftig-negativen Reaktionen kommen meist nicht von Fremden; nein, sie kommen aus deinem engsten Kreis, deiner Familie, deinen besten Freund:innen, deinem/r Lebenspartner/in.
Wie teuer ist es wirklich?
Gar nicht so teuer, wie mensch denken mag. Natürlich ist es eine finanzielle Umstellung, wenn mensch sich zuvor von billigen Tiefkühlpizzen und Billig-Eis aus dem Supermarkt ernährt hat und dann auf veganes Eis und vegane TK-Pizzen umstellt. Denn die Ersatzprodukte, die den gleichen Geschmack wie non-veganes Essen versprechen, sind durchaus deutlich teurer. Auch teurer wird es, wenn mensch sich selbst sagt, vegan zu kochen sei nun zu anstrengend, mensch gehe ab sofort deswegen nur noch vegan essen oder bestellt Essen.
Aber wenn mensch sich vorher ausgewogen und gesund ernährt hat und vielleicht auch als Eis-Genießer:in nicht das billigste gekauft hat, dann kommt es bei der Abrechnung nicht viel höher am Monatsende. Mein persönliches Beispiel: ich gebe jetzt 30€ mehr im Monat aus, für mein Essen (statt 150€ sind es knapp 180€). Ich finde, dass ist kein großer Preis, wenn ich bedenke, was ich dafür alles bekomme. Und ich kenne einen Haufen Personen, die deutlich mehr im Monat für Essen ausgeben, obwohl sie sich nicht vegan ernähren. Zu sagen, mensch würde ja Veganer:in werden wollen, das Einzige was einen aufhalten würde, sei das Geld, das habe mensch nicht, dann ist das meiner Meinung nur die lahmste und faulste Ausrede.
Wie ist das mit dem Verzicht?
Das ist eine schwer beantwortbare Frage, die für jeden Menschen anders ausfällt.
Wenn Du total gerne Fleisch isst, wird die Umstellung ein schwieriger Verzicht. Erschwert durch die Häufigkeit des Konsums; wenn du dir dreimal die Woche ein Steak gönnst, kann es glaube ich echt hart werden. Ist das Steak für dich eine Besonderheit zu Festen? Dann wird es sehr viel einfacher.
Ich für meinen Teil habe den Geschmack von Fleisch nie so sehr gemocht (außer die Ente von Oma, die habe ich geliebt). Vor allem Steaks fand ich schon mein Leben lang gruselig und ein wenig eklig. Und als ich verstanden hatte, dass das, was ich am Fleisch noch halbwegs lecker finde (und an Omas Ente so sehr liebte) waren nur Gewürze. Wenn du das verstehen willst: Iss mal ein komplett ungewürztes Stück Huhn: Mein Hund liebt es, ich finde es eklig und sehr faserig.
Aber Veganismus ist ja bei weitem nicht nur der Fleischverzicht, sondern auch der Verzicht auf sämtliche Milchprodukte und Eier.Hier wird es schwieriger. Vor allem wenn du Käse liebst…
Aber dazu kann ich dir auch eine positive Nachricht geben: Käse ist ein Suchtmittel. Tatsächlich ist es wissenschaftlich erwiesen, dass der Geschmack von Käse, ähnlich wie Schokolade, unser Belohnungszentrum stimuliert. Zumindest bei den meisten Menschen. Wenn du nun länger auf Käse verzichtest, lässt das Verlangen nach; irgendwann findest du sogar, dass überbackener Käse stinkt. (https://www.kochbar.de/cms/kaese-macht-suechtig-casomorphine-haben-eine-drogenaehnliche-wirkung-2496890.html)
So ging es zumindest mir nach 4-5 Monaten der Käse-Abstinenz.
Abgesehen von Käse, fiel mir der Verzicht von Eis besonders schwer (und Sprühsahne). Hier konnte ich leider die Suchthypothese nicht bestätigen; wenn ich Butterkaramell-Eis rieche, ist das Verlangen so heftig, dass ich schon ein-/zweimal schwach wurde (Schande über mein Haupt!). Die Lösung: ich halte mich von Eisläden fern; einer der Gründe, weshalb ich meinen geliebten Eisverkäuferin-Job (Ich meine: Hallo, gratis Eis, so viel mensch essen kann (in meinem Fall sind das 15 Kugeln in einer Stunde)? Absoluter Traumjob) aufgegeben habe. Meiner Meinung nach, mein größter Verzicht.
Der Verzicht auf Milch allgemein, Joghurt und Eier hingegen fiel mir überhaupt nicht schwer: ich bin seit ich 16 Jahre alt bin laktoseintolerant und habe schon Pflanzenmilch konsumiert, als ich noch Fleisch aß. Während mir bei Eiern pur immer ein wenig übel wurde hinterher. Das erleichtert den Verzicht natürlich ungemein.
Was für mich, nach dem Eis, die größte Herausforderung ist, wenn auch nicht der größte Verzicht, sind fertige Lebensmittel aus dem Supermarkt. Die ganzen Kleinigkeiten, bei denen man vorher denkt, mmmh, diese Chips müssten eigentlich vegan sein, sind ja nur frittierte Kartoffeln und Gewürze….SÜßMOLKENPULVER. Ja, tragischerweise ist SÜßMOLKENPULVER ein sehr billiger Süßungsstoff, der bei der Milchproduktion gratis abfällt. Dieser wird bei sehr vielen Produkten zum süßen verwendet, die dann von ihrem Image auch nicht unbedingt darauf aus sind, besonders Veganer:innen freundlich zu sein, weshalb häufig kein Vegan-Label auf der Verpackung prangt. Wie viel Zeit ich schon mit Inhaltsstoffen lesen/entziffern (die sind häufig versteckt und sehr sehr klein) verbracht habe…
Es ist sehr trickreich: Pflanzenmagarine ist nicht gleich vegan, auch hier ist manchmal SÜßMOLKENPULVER enthalten. Paprikapulver als Gewürz: häufig nicht vegan, da um den BBQ-Geschmack beizufügen, häufig Fleisch geräuchert wird und dieser Rauch dem Gewürz beigefügt wird.
Wie wirkt sich der Veganismus auf das Leben aus, über die Ernährung hinaus?
Dies ist eine sehr spannende Frage, die mich auch noch täglich beschäftigt und wobei ich auch immer Neues dazu lerne.
Im Prinzip ist es aber ganz einfach: Veganismus bedeutet, kompletter Verzicht auf tierische Produkte. Das schließt abgesehen von der Ernährung auch noch viele weitere Lebensbereiche ein. Das schwierige ist, zu erkennen, wo tierische Bestandteile enthalten sind. Denn das ist leider nicht immer gekennzeichnet.
Eine vegane Lebensweise bedeutet also auch der Verzicht auf Kleidung, Möbel und Alltagsgegenständen aus tierischer Herstellung. Dazu zählen sowohl die Ledercouch als auch der Merino-Wolle-Schal, das protzige Kaninchenfell vor dem noch protzigerem Kamin, der Kashmir-Pullover, die Lederjacke, aber auch die Mader-Haar-Pinsel, sei es im Künstlerbedarf oder beim Make-Up. Ebenso verwenden Veganer:innen auch keine Kosmetik, in der tierische Bestandteile, wie etwa Schweineaugen oder Bienenwachs enthalten sind. Ebenso nichts, was an Tieren getestet wurde. Letzteres ist leider kaum gekennzeichnet. Aber die Tierschutz-Organisation PETA gibt jedes Jahr eine Liste mit Kosmetikfirmen raus, die Tierversuche durchführen. (https://crueltyfree.peta.org/)
Und falls du sehr an deinem Kashmir-Gedöns und deinem Merino-Wolle-Krams hängst: Schau dir mal ein Video an, indem gezeigt/erklärt wird, wie diese Wolle entsteht. Danach möchtest du drei Wochen nichts essen. (Am besten direkt auf leeren Magen ansehen). (https://www.youtube.com/watch?v=nwztFI_dXMc -> Kashmir) (https://www.youtube.com/watch?v=7t02hCXfV58 ->Merino-Wolle).
Eine vegane Ernährung geht auch sehr häufig mit Umweltschutz einher. Das liegt in der Natur des Veganismus: eine vegane Lebensweise ist sehr umweltschonend. Deswegen ist es zwar kein Kernpunkt des Veganismus, aber dennoch sehr häufig, dass mensch als Veganer:in auf seinen ökologischen Fußabdruck achtet. Ich persönlich verzichte auf das Auto fahren; ich besitze keines und meide Fahrten, wo ich kann, und ich versuche meine Plastikkonsum einzuschränken. Da kann mensch viele kleine Schritte tun: Zahnbürsten aus Bambus, auswaschbare Abschminktücher, Reinigungsmittel-Tabs in wiederverwendbare Flaschen (Tab in Flasche + Wasser = Putzmittel in einer Flasche immer und immer wieder, statt jedesmal eine neue Plastikflasche (https://www.everdrop.de/)), keine Silvester-Böller, alles, was mensch in Papier kaufen kann, in Papier kaufen statt Plastik (Waschmittel, Kaffee, Schokolade, Gemüse), etc. Ebenfalls achten wir Veganer:innen auf Lebensmittel aus regionalem Anbau und wir kaufen saisonal und Bio.
Natürlich können (und sollten!) auch Nicht-Veganer auf ihren ökologischen Fußabdruck achten.
So, ich hoffe, Dir hat der Beitrag gefallen und du konntest vielleicht das ein oder andere neue lernen. Wer weiß, vielleicht magst du diesen Januar ja auch mal beim VEGANUAR mit machen? (https://veganuary.com/de/)
Und falls nicht, dann hast du vielleicht so viel verstanden, dass Veganismus nichts ist, um dich persönlich zu ärgern, sondern für dich und deine Nachkommen eine halbwegs heile, saubere, lebenswerte Welt zu hinterlassen.
Reminder
Ich möchte hier noch einmal betonen, dass dieser Beitrag kein Belehrungs-/Bekehrungsbeitrag sein soll, sondern eine Information für Dich. Ich möchte dich nicht zum Veganismus drängen; ich selber habe davon ja nicht viel. Ich bitte dich nur um eines: Wenn dir das nächste mal ein Veganer/Veganerin über den Weg läuft und ihr auf das Thema Ernährung zu sprechen kommt, dann mach dich nicht lustig oder werte die Entscheidung dieser Person ab, sondern behandel sie verdammt noch mal mit Respekt. Das hat er/sie verdient. Das hat jeder (Weltverbesserungs-) Mensch verdient.
Stay cool,
Deine Fenja
PS: Und nein, ich bekomme kein Geld von irgendwem für diesen Beitrag, auch wenn ich einige Firmen verlinkt habe: Dies dient lediglich der Information.